Brückengespräch mit den Schwestern Hanika
Beate und Susanne Hanika, beide als Schriftstellerinnen aktiv und erfolgreich. Sie haben auch schon mehrere Bücher gemeinsam geschrieben. Am 24. September 2015 erscheint das nächste Werk ihres gemeinsamen Schaffens: „Jenseits des Schattentores“.
Vorwort, Szenenskizze
Die Beteiligten sitzen im grünen Innenhof des Cafés im Historischen Museum. Es ist angenehm warm und sonnig, die Schwestern Hanika haben sich eine gemütliche Couch in einer Ecke des Hofes gewählt. Beate Hanika eröffnet die Szene mit ihrer persönlichen Kurzgeschichte „Maulwurf“ und erheitert alle Anwesenden. Benedikt Ströher schließt an mit „Die Katze auf der Brücke“. Das Interview beginnt.
Ihr seid beide Schriftstellerinnen. Du, Beate, warst als Model aber auch schon in vielen europäischen Städten unterwegs und du, Susanne, sagst von dir, dass „Schreiben“ vor allem ein „Abtauchen in eine andere Welt“ ist. Trotzdem lebt ihr beide in Regensburg, eurer Geburtsstadt. Braucht ihr zum Schreiben eure vertraute Umgebung und sind euch die Orte und Menschen hier Inspiration? Welche Rolle spielt Regensburg?
Susanne: ich mag Regensburg einfach unglaublich gern und mein allererstes Manuskript, das jedoch nicht veröffentlicht wurde, spielt auch hier. Ansonsten kommt Regensburg in meinen Geschichten aber nicht vor.
Beate: bei mir ist es genauso. Berlin und Regensburg sind meine Lieblingsstädte, aber mein Schreiben ist nicht an diesen Ort gebunden. Ich schreibe überall. Was mich jedoch an Regensburg bindet oder gebunden hat, sind meine Pferde. Die waren halt hier und deswegen bin ich auch nicht dauerhaft weg gewesen. – Susanne: also, ich möchte eigentlich auch gar nicht dauerhaft weg; vielleicht mal für ein Jahr oder so und dann wiederkommen. – Beate: ich schon!
Jede von euch ist als eigenständige Autorin erfolgreich; ihr habt aber auch zusammen den vierteiligen Band „Dark Angels“ geschrieben, der von den beiden Schwestern Dawna und Indie erzählt. Ich hab selber vier Geschwister und stell mir deswegen eure Zusammenarbeit bei so einem großen Projekt auch mal kompliziert vor. Habt ihr euch vor dem gemeinsamen Schreiben erst zusammenraufen müssen oder seid ihr euch als Schwestern schon immer sehr nah gestanden? Und hat sich beim Schreiben eure Beziehung zueinander noch mal verändert?
Beate: wir waren uns ab einem gewissen Zeitpunkt sehr nah – Susanne: seit dem du Kinder hast – Beate: nein, eigentlich schon eher – Susanne: In unserer Kindheit war das nicht so eng, weil dafür die sieben Jahre Altersunterschied zu groß sind. Das kam erst später. Und durch das Schreiben ist das total eng geworden. Wir streiten eigentlich gar nicht. – Beate: und es gibt niemanden, der mich so wenig nervt wie du! [Anm.: die anderen Anwesenden lachen, Beate aber bleibt ernst]. Ja, das ist irgendwie komisch. Freundinnen und andere Personen, die nahe stehen, die nerven ja auch manchmal. Und Susanne nervt mich sehr selten. Durch das Schreiben und auch durch die Kinder sind wir uns dann näher gekommen, weil ich dann ja eine Ahnung von ihrem Leben bekommen hab´. – Susanne: als du die Idee hattest, dass wir gemeinsam schreiben könnten, hab ich mir auch zuerst nicht vorstellen können, dass das klappt, schon allein deswegen, weil es auf der professionellen Ebene ja dann zu Problemen mit den privaten Rollen kommt. Mit Beate hat das aber dann doch funktioniert. – Beate: der einzige Punkt, der mich in der Zusammenarbeit mit meiner Schwester stresst ist die Arbeitsgeschwindigkeit. Ich arbeite viel langsamer als Susanne. – Susanne: ich kann halt tippen, im Gegensatz zu dir! Aber hey, macht ja nichts! [Anm.: alle Beteiligten lachen.]
Als ich dich, Beate, um ein Interview bei den „Brückengesprächen“ gebeten habe, wolltest du gleich auch deine Schwester dabei haben. Inwieweit hat dir deine große Schwester schon Brücken gebaut? War sie die typische Vorkämpferin, die dir so manche Auseinandersetzung mit den Eltern erspart hat?
Nein, eigentlich nicht und da fällt auch der Altersunterschied nicht so ins Gewicht. Wir waren als Kinder einfach zu verschieden. Susanne war sehr zielstrebig und ich war sehr bequem und hatte auch diese Rolle in der Familie. Wir waren da komplett unterschiedlich und haben so auch unsere Kindheit und Jugend verbracht. Erst beim Schreiben fanden wir zueinander. Da waren wir uns gegenseitig immer wieder Motivator und haben uns durch Schreibkrisen durchgeholfen.
Und du, Susanne: wo siehst du deine kleine Schwester als Brückenbauerin? An welchen Brücken baut sie in ihrem literarischen Wirken?
Na ja, Beate schreibt in ihren ersten beiden Bänden [Anm.: „Erzähl mir von der Liebe“ und „Rotkäppchen muss weinen“] sehr realitätsnah und kann Kindern und Jugendlichen, die sich auch in so einer Situation befinden, eine Hilfe sein, diese zu bewältigen. Spannend find´ ich dabei auch, dass Beate es schafft, diese Themen so zu schreiben, dass man sie unglaublich gerne liest. Das macht es Jugendlichen leichter zu erkennen, dass im Freundeskreis jemand unter diesen Problemen leidet oder auch sich selbst Freunden anzuvertrauen.
Dass Literatur an sich zu einer wichtigen Brücke wird, das höre ich immer wieder auch von Menschen, die meine Bücher lesen. Gerade das Zusammenleben der beiden Hauptcharaktere [Anm.: eine junge Erwachsene und ihre Oma] hilft meine LeserInnen zu erkennen, dass sie in ihrer Situation als Pflegende nicht allein sind. Das befreit, lässt auch mal wieder lachen und schafft einen neuen Zugang zum eigenen Leben.
Und dann sind da ja noch unsere Jugendromane, die die Beziehung zwischen Eltern und Kinder in den Blick nehmen oder auch „Sterben und Tod“. Die Jugendlichen sollen sich mit diesen Themen auseinandersetzen und Verständnis dafür und füreinander entwickeln.
In euren Büchern schreibt ihr einerseits nah an eurer Realität – du, Beate, hast in „Erzähl mir von der Liebe“ deine Erfahrungen als Model einfließen lassen. Gemeinsam erzählt ihr von den Abenteuern zweier Schwestern. Andererseits taucht ihr aber auch in Welten ein, die nur in eurer Vorstellung existieren. Ist das Schreiben allgemein und „Fantasy“ im Speziellen für euch auch eine Möglichkeit, in diesen Welten zu leben und die eigenen Grenzen für eine gewisse Zeit hinter euch zu lassen? Beeinflusst euch das Geschriebene in eurem Denken, Wahrnehmen und Empfinden?
Susanne: also manchmal hab ich schon den Eindruck, gerade wenn ich an unsere Romanreihe „Dark Angels“ denke, wo sich am Schluss eine große Gemeinschaft gegen das Böse stellt und das find ich wirklich super! Eigentlich les´ ich persönlich solche Geschichten gar nicht, aber darüber zu schreiben, dass sich fast ausweglose Situationen verändern, wenn man sich nur dagegen wehrt und weitermacht, das gibt mir in meinem Leben auch Mut und das Gefühl: aufgeben darf man nicht!
Beate: hm, bei mir ist das gar nicht so eindeutig zu beantworten. Ich schreib sehr intuitiv aus mir raus und bleib auch im Schreiben nah an mir dran. Da lebe ich diese Figur also sehr. Andererseits muss ich mich auch immer wieder bewusst um eine innere Distanz bemühen, wenn ich z.B. über die jüdische Vergangenheit und Nationalsozialisten schreibe. Ich könnte es gar nicht aushalten, zu lange und zu nahe an diesem Thema dran zu bleiben. Aber natürlich beeinflusst mich mein Schreiben dann in meiner Wahrnehmung und meinem Empfinden, v.a. wenn sich diese Ereignisse wie in diesen Wochen und Monaten besonders jähren.
Unabhängig davon, ob ihr in einem Moment gerade Mama oder Ehefrau, Wissenschaftlerin oder Fotografin seid: existiert die Mama in dir, Susanne, einfach neben der Schriftstellerin oder hat das alles etwas miteinander zu tun? Gibt es zentrale Werte, die in allen euren Rollen durchscheinen und die ihr versucht zu leben?
Manchmal kommt es mir so vor, als wären das strikt getrennte Rollen, in denen ich auch ganz unterschiedlich reagiere, je nachdem, was ich gerade bin. Da muss ich schon umschalten, denn es macht ja einen Unterschied, ob ich als Autorin auf der Frankfurter Buchmesse bin oder zuhause bei meinen Kindern. Oder ich lass mich z.B. als Autorin auch ohne Probleme fotografieren, aber im privaten Rahmen, hab´ ich da ein wenig Hemmungen … Aber es gibt auch zentrale Werte für mich, wie z.B. Ehrlichkeit. Ich nehm in meinem Alltag zwar verschiedene Rollen ein, aber in den Rollen bin ich immer auch ehrlich. – Beate: auch unsere Bücher sind ja sehr ehrlich. Wir schreiben nicht über Themen, die wir nicht vertreten können und versuchen das, was wir schreiben, authentisch zu halten. – Susanne: Und außerdem versuch ich immer, jeder Person erst einmal Sympathie entgegen zu bringen und daraus wieder Verständnis für die Menschen zu entwickeln, also zu verstehen, warum jemand so handelt. Das macht den Umgang nicht immer leichter, aber zumindest offener und diesen Perspektivenwechsel kann ich dann wieder gut für mein Schreiben verwenden. Und bei diesem Öffnen für den anderen lern´ ich auch, dass ich manches nicht beeinflusse, sondern es sich natürlich entwickeln lasse. Genauso wie im Leben muss ich auch beim Schreiben das passieren lassen, was passieren möchte und nicht mit aller Macht auf das Hinwirken, was ich mir vorstelle. Erst durch das Loslassen der eigenen Vorstellungen kann etwas Gutes entstehen.
Euer Schreiben ist Teil eurer beruflichen Identität. Ihr schreibt eure Bücher auch, damit sie gekauft werden. Ich kann mir vorstellen, dass das nicht eure höchste Motivation ist. Habt ihr eine Mission oder höher Ziele, zu denen ihr mit euren Geschichten einen Beitrag leisten wollt? Was ist euer innerer Antrieb?
Beate: bei mir kommt der Antrieb aus dem Schreiben selbst – da geht´s mir einfach richtig gut, wenn ich schreiben kann. Das ist für mich eine Erfüllung. – Susanne: das ist so, als würden ständig Ideen reintropfen und wenn ich nicht schreibe, dann platze ich irgendwann. Wo soll das denn alles hin? Das ist einfach so unbefriedigend, wenn ich Zeiten habe, in denen ich nicht schreibe. Ich versuch meine freien Zeiten ja auch zu genießen, aber das funktioniert leider nicht so. – Beate: das hab ich mir auch schon gedacht. Da konnte ich ein Projekt vor dem Urlaub abschließen und kaum war ich wieder zuhause, hab´ ich schon das nächste angefangen. Die Erholung liegt da einfach im Schreiben. Beim Stichwort „Mission“ fällt mir aber ein, dass ich denen, die gerne ihr eigenes Buch schreiben möchten, sagen möchte: trefft die Entscheidung dazu und fangt damit an! Was danach aus dem Geschriebenen wird, lässt sich eh nicht beeinflussen; zuerst einmal muss es geschrieben sein.
Am Ende des Interviews komme ich zu eurem Anfang: Euer erstes Manuskript – könnt ihr euch erinnern? Ist das von besonderer Bedeutung? Oder womit hat eure Leidenschaft begonnen? Gab es da einen besonderen Auslöser?
Susanne: wir haben schon immer geschrieben und deswegen ist es auch schwierig, von einem konkreten Anfang zu sprechen. – Beate: ich hab´ von unserer Mutter einmal ein Kistchen bekommen, in dem ein Heft mit Geschichten von mir lag, die ich in der zweiten Klasse geschrieben habe. Die sind schon was besonderes. Ein Anfang für unser Schreiben waren aber Hörspiele, die wir zusammen mit unserer Cousine auf Kassette aufgenommen haben. Susanne hatte immer die Ideen und ich habe immer zu gehört und musste an manchen Stellen Kuh- und Ziegengeräusche machen. [Anm.: alle lachen herzhaft] Das war für mich wie Kino! – Susanne: ja genau! Wir haben dich dann immer wieder angestoßen und gesagt: wieher mal! [Anm.: wieder großes Gelächter]
Interview: Benedikt Ströher
Fotos: Georg Schraml