Interview Michael Schäffer & Mariana Steiner
Brückengespräch am 04. Juli 2016 |
Liebe Frau Steiner, lieber Herr Schäffer,
Sie sind für Ihr Projekt „PanamericanArte“ einmal längs durch Nord- und Südamerika gefahren. Wer war daran beteiligt, wo waren Sie überall, wie lange hat es gedauert und welche Eindrücke sind heute bei Ihnen am meisten präsent?
Herr Schäffer: Na dann erzähl´ ich mal ein wenig über die Reise. [Anm.: er holt eine bunte Broschüre und erzählt mit dieser von der Reiseroute von Hamburg/Frankfurt über Halifax in Kanada nach Alaska und die USA und 100Tausendkilometer …] Wir haben kein Land in Amerika ausgelassen, auch nicht die ärmsten und gefährlichsten. In Lima waren wir in Vierteln, da wollten uns nicht einmal die Taxifahrer hinbringen. Irgendwann waren wir dann aber drin und sind mit unseren Kisten, Farben und der gerollten Leinwand durch die Straßen gelaufen und haben unsere Künstler besucht. Und: nirgendwo ist uns irgendetwas passiert. Nichts ist uns passiert, gar nichts! Wir haben mit diesen Menschen gelebt und mit ihnen gekocht: Mayas, Lenka, Kuna, Navajo-Indianer. Manchmal in Hütten mitten in der Wüste, wo es kein fließendes Wasser gab, dafür aber vier Kinder. Und alle haben sie für uns gemalt und ihre Geschichte dargestellt. Frau Steiner: – was ganz interessant ist: die Navajos malen nie etwas Geschlossenes. In ihren Mustern und Bildern muss immer etwas offen sein. Die schließen nichts. – das heißt, es sind die vielen unterschiedlichen Begegnungen, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind; die Verschiedenheit und Offenheit der Menschen. Ist es das? Oder gibt es noch etwas, was Ihnen vielleicht an sich selbst aufgefallen ist; wo Sie eine Entwicklung bei Ihnen selbst bemerkt haben? –
Frau Steiner: hm, ja, je nach Zustand, was man gerade im Augenblick durchmacht. Ich denke zB. immer wieder daran, wie wir allein in der Wüste waren, vor allem, wenn hier viel Stress ist. Das war einfach herrlich! Und was die Begegnung mit den Menschen angeht: da möchte ich gar nicht bewerten. Wenn ich die Bilder anschaue, dann sehe ich, dass jeder besonders war. Jeder hat uns das Beste mitgegeben, was er oder sie geben konnte. Für sie war dieses Projekt, was wir gemacht haben, etwas ganz wichtiges. Es war wie so eine Art, sich endlich mal auszudrücken und zu sagen: wir gehören alle zusammen. Herr Schäffer: Wir sind ja immer noch mit vielen Künstlern in Kontakt und jetzt leiden wir mit Ihnen. Mit den Venezolanern, mit den Menschen in Mexiko, wo grad die großen Aufstände sind; Enrique Flores, einer dieser mexikanischen Künstler war ja vor kurzem erst da und heute schreibt er, er wünscht sich nur Frieden. Wir leiden mit ihnen, weil wir wissen, wie sie leben und wo sie leben und wie es ihnen dort geht. Je ärmer die Menschen waren, desto freundlicher und offener haben sie uns aufgenommen und haben für uns gekocht. Das sind schon Eindrücke, die bleiben. Und als wir zurückgekommen sind, da sind wir deswegen auch erst mal in ein Loch gefallen. Termine, Verpflichtungen, Geld verdienen müssen – das war auf einmal fremd, wie eine fremde Welt. – Frau Steiner: wobei wir gar nicht wissen, ob sich hier alles verändert oder ob wir uns so verändert haben. Vielleicht nehmen wir bloß alles anders wahr … wahrscheinlich beides …
Das Projekt selbst ist für mich so was wie ein Kunstwerk. Am Ende haben Sie 20 Länder bereist und 220 Künstler davon überzeugt, an „einer“ Leinwand, die 115 m lang ist, mitzuwirken. Wie ließ sich das überhaupt realisieren? Allein schon das Ausfindigmachen der Künstler und der Kontakt mit Ihnen erscheinen mir aufgrund der sprachlichen und kulturellen Unterschiede schwierig. Wie sind Sie konkret vorgegangen und welche Schwierigkeiten sind Ihnen begegnet?
Frau Steiner: Ja, das war sehr interessant. Wir haben uns während des Projekts auch anpassen müssen. Am Anfang dachte ich: ach, ich schreibe einfach die Berufsverbände der Länder an – ich bin ja selber auch Künstlerin – und die vermitteln uns dann die Kontakte – aber das ging überhaupt nicht. Vorplanen war nicht möglich! Wir mussten immer erst vor Ort mit Künstlern in Kontakt kommen und das hat dann funktioniert.
Herr Schäffer: Irgendwann ist das zum Selbstläufer geworden. Das war so ab Mexiko. Da waren wir im Radio und im Fernsehen und da sind die Künstler auf uns aufmerksam geworden, haben uns kontaktiert oder weiterempfohlen. In Costa Rica, Kolumbien und Chile waren wir dann teilweise im landesweiten Programm und ab da war es dann fast ein Selbstläufer. Zum Schluss konnten wir nicht mal mehr alle Künstler anfahren, die mitmachen wollten. Und heute bekomme ich laufend Anfragen von Künstlern aus Amerika, die hier im Atelier ausstellen möchten, weil sie darüber von den anderen Künstlern, die bei uns beteiligt waren, gehört haben. – Frau Steiner: ich möchte aber auch anmerken, dass wir nicht nur Künstler eingeladen haben, sich am Projekt zu beteiligen. Uns war wichtig, dass auch Kinder malen oder eine Gruppe Behinderter oder auch mal eine Hausfrau. Wir wollten eine Vielfalt abbilden. Und durch das Malen sind wir alle zusammengekommen. Das Malen hat es bewirkt. Da öffnet man sich und gibt etwas von sich her. Da entsteht eine andere Kommunikation und aus dem allen sind dann die Freundschaften entstanden.
Das Projekt hat ganz konkret am 9. Mai 2012 mit Ihrer ersten Etappe einen Anfang genommen, auch wenn schon im Monat vorher Künstler in Regensburg daran beteiligt waren. Der wirkliche Beginn, die Geburt der Idee, war aber wahrscheinlich schon einige Zeit davor. Wann entstand diese Idee und was hat Sie überhaupt dazu bewogen? Was war Ihnen dabei besonders wichtig?
Herr Schäffer: Die Idee ist in mir im 13ten Lebensjahr entstanden. In diesem Jahr hab ich zu Weihnachten ein Buch über die „Traumstraßen der Welt“ geschenkt bekommen, in dem jene besagte „Panamericana“ beschrieben war. Und das war für mich der Auslöser: ich wollte diese Straße unbedingt mal selber fahren. Die Bilder von Hans Dominik haben mich so fasziniert, dass es dann 40 Jahre später Realität werden konnte, weil beruflich wie privat alles dafür passte. Das war so meine Seite: ich wollte die „Panamericana“ fahren, Mariana ist aber Künstlerin und meinte, dass sie nicht nur fahren möchte. – Frau Steiner: ich wollte halt nicht nur als Tourist dabei sein, sondern auch was machen, die Gelegenheit nutzen. Ich male sowieso gerne Bilder zusammen mit anderen, wie zB. mit meinen Schülern und so hat sich das dann langsam entwickelt. Meine anfängliche Idee war, dass das Ganze ein zusammenhängendes Bild ohne Übergänge wird. Dass jeder Künstler direkt an das des vorgehenden Malers anknüpft. In der Praxis hat das dann aber nicht funktioniert, weil die Künstler das anders wollten und so haben wir es sich einfach entwickeln lassen. Die einzige Vorgabe war, dass keine gewaltverherrlichenden oder rassistischen Motive erlaubt sind. Das war aber nie ein Problem.
Ihr Kunstwerk, Ihre Ausstellung ist unterschrieben mit „Kulturen verbinden – Brücken bauen“: Sie wollten mit Hilfe der Kunst Grenzen überwinden und einen Beitrag zur Völkerverständigung leisten. Hat dieses Projekt auch einen Eigendynamik angenommen, mit der Sie vorher nicht gerechnet haben und wie weit hat das Bild, das dabei entstanden ist, auch Ihr eigenes Leben geprägt? Sind diese ganz persönlichen Ausdrücke der Künstler auch zu einem Teil Ihrer Identität geworden?
Frau Steiner: Ja, bei mir ist das schon ein Thema, weil ich auch so aufgewachsen bin. Mein Vater war Diplomat und ich bin in Argentinien geboren. Deswegen sind wir viel umgezogen und ich kannte das Fremdsein und die Grenzen. Als Kind hab ich auch in der Ständigen Vertretung von Westdeutschland in Ostberlin gelebt und wir sind jeden Tag über die Grenze nach Westberlin. Grenzen sind also immer schon Thema bei mir und ein Grund dafür, weswegen ich dieses Projekt in Angriff genommen habe. Ich versuche immer wieder, die Menschen zusammen zu bringen, mich gegen Abgrenzungen zu wehren und innere Grenzen aufzulösen. – Herr Schäffer: für unser Projekt durften wir den Spruch von Weizsäcker [Anm.: ehem. Bundespräsident] verwenden: „Es geht nicht darum, Grenzen zu verschieben, sondern ihnen den trennenden Charakter für die Menschen zu nehmen.“ und ich glaube, das haben wir auch geschafft. Die Künstler, die sich an diesem Projekt beteiligt haben, vernetzen sich miteinander, besuchen sich gegenseitig und machen gemeinsame Ausstellungen. Und auch uns prägt das Projekt, denn für mich hat sich daraus mein neues Leben entwickelt. Das Leben nach der Reise. Ich hab ja einen neuen Einstieg finden müssen, nachdem ich vieles aufgegeben habe. Ich wollte aber nicht mehr zurück und hab dann natürlich schon auf dem Weg überlegt, was danach kommt und welche Möglichkeiten ich habe. Irgendwann auf halber Strecke war dann klar, dass die vielen tollen Künstler, die wir kennen gelernt haben, der Weg sein werden und dass ich eine Galerie eröffnen und mit den Künstlern weiterarbeiten möchte. Das ist nicht das große Geschäft, mit dem man reicht wird, aber ich mache es mit Herzblut und ich gebe ein wenig von dem zurück, was ich geschenkt bekommen habe – Frau Steiner: und wir wollen auch was zurückgeben! Die Künstler können sagen, dass sie bei diesem Projekt dabei waren und sie können in Deutschland ausstellen und sogar herkommen, was für sie ein Highlight ihrer Karriere ist. Und so wie sie uns ihre Türen geöffnet haben, wollen auch wir ihnen unsere öffnen und ihnen unsere Heimat zeigen. Sie haben bei uns einen guten Eindruck hinterlassen und das wollen wir umgekehrt auch.
Aktuell werden die entstandenen Bilder verkauft, versteigert; Ende 2017 soll auch das ein Ende haben. Was davon wird bleiben? Was hat Sie dieses Projekt gelehrt und wie wollen Sie den Gedanken, für das es steht weitergeben und weiterleben?
Herr Schäffer: Der Plan war, dass wir als nächstes in München ausstellen. Wir hatten auch die Erlaubnis für das erste Quartal 2017 im „Gasteig“, doch leider hat uns der Brandschutz dafür einen Riegel vorgeschoben. Acht Monate Arbeit waren da umsonst. – Das Projekt soll abgeschlossen werden. Wir wollen die Bilder nach den Ausstellungen versteigern und das Geld zu einem Großteil spenden – für wichtige Projekte, die wir auf unserer Fahrt kennen gelernt haben, wie zB. für ein Wasserprojekt in Bolivien oder ein Krankenhaus in Venezuela. Eine große Ausstellung wollen wir noch machen, um Gebote für alle Bilder zu erhalten. Da sind wir auf der Suche nach einer geeigneten Stadt, der geeigneten Gelegenheit. Vielleicht hilft uns ja der Papst, den wir angeschrieben haben mit Unterstützung durch das Bistum Regensburg. – Mariana [Anm.: Frau Steiner] ist Argentinierin, der Papst Argentinier; der vorhergehende Papst ist Regensburger, wir hier sind in Regensburg … und da warten wir jetzt auf eine Antwort. Vielleicht bekommen wir ja irgendwie die Chance, in Rom auszustellen. Er ist ja ein Papst der Völkerverständigung, also mal schauen. … Ich möchte die Ausstellung abschließen und v.a. meine Spendenzusagen einhalten und das soll 2017 passieren. – Frau Steiner: Und was zurückbleibt ist eine tiefe Freundschaft mit vielen, vielen Künstlern und das ist ein großer Reichtum!
PanamericanArte im Internet: http://www.panamericanarte.com/
Interview: Benedikt Ströher
Fotos: Georg Schraml