Trio GANES – aussergewöhnliche Musik aus Südtirol

Sie singen in Ladinisch, einer für uns fremden Sprache, und doch klingen sie vertraut und aussergewöhnlich schön. Sie waren mit Hubert von Goisern auf Tournee und waren am 10. Oktober 2015 mit einem Konzert zu Gast im Antoniushaus in Regensburg: die Schwestern Elisabeth und Marlene Schuen und ihre Cousine Maria Moling – weit über ihre Heimat Südtirol bekannt als das Trio GANES. Benedikt Ströher führte das Interview mit den drei äußerst sympathischen Mädels, als Fotograf versuchte Georg Schraml die unterschiedlichen Stimmungen mit der Kamera einzufangen.

ganes-9274 Maria Moling, Benedikt Ströher (Interview), Elisabeth Schuen und Marlene Schuen (von links)

Alle drei in Südtirol, in Brixen bzw. Bruneck geboren und aufgewachsen in einem Dorf namens La Val, Wengen. Heute habt ihr über 300 Konzerte in verschiedenen Ländern gespielt und seid in der Welt zuhause. Wo fühlt ihr euch beheimatet und in welcher Hinsicht seid ihr dem Wohnzimmer in eurem Elternhaus [Anm.: bezogen auf das Elternhaus der Geschwister Schuen], in dem eure Leidenschaft für die Musik begonnen hat, entwachsen?

Marlene:
geboren sind wir in Bruneck nur, weil es dort ein Krankenhaus gibt! Seit wir drei Tage alt waren, haben wir in La Val gelebt. [Anm.: alle lachen!]

Maria Moling Trio GANES

Maria Moling Trio GANES

Maria:
Es gibt mehrere Orte, wo ich mich zuhause fühle. Natürlich der Ort, an dem ich aufgewachsen bin und 14 Jahre meines Lebens verbracht habe. Das ist für mich die erste, aber nicht einzige Heimat. Während meiner Zeit in Klagenfurt hatte ich auch dort eine Heimat. Am wohlsten fühl ich mich jedoch immer dann, wenn es mehrere Orte gibt, wo ich mich zuhause fühle; wenn ich zwar dort wohne, dabei aber auch weiß, dass ich nicht für immer dort bleiben muss; wenn ich mich freier fühlen kann. Auch auf unseren Tourneen entsteht eine Art „Heimatgefühl“, weil es mittlerweile sehr vertraut ist durch meine Familie [Anm.: die Geschwister Schuen und Maria Moling sind Cousinen.] und unsere ladinische Sprache. So nehmen wir quasi ein Stück Heimat mit.

Elisabeth:
Der Ort, an dem ich aufgewachsen bin, gehört natürlich zu meinem Heimatbegriff dazu, aber meine Geschwister leben ja auch woanders. Mittlerweile bin ich eher da beheimatet, wo die Menschen leben, die mir nahe stehen. Meine Heimat ist also heute da, wo meine eigene, kleine Familie ist.

In vielen Ländern unterwegs, von einem Hotel zum nächsten. Teilweise lebt ihr auch an mehreren Orten. Dabei habe ich den Eindruck, dass ihr bei euren Konzerten sehr authentisch und klar seid und eure Lieder aus einer tiefen Ruhe kommen. Was macht ihr in den Stunden vor einem Auftritt, um euch in die richtige Stimmung zu versetzen? Habt ihr Rituale oder gibt es etwas, das euch besonders gut tut?

Marlene Schuen Trio Ganes

Marlene Schuen Trio Ganes

Marlene:
Das ist ein wenig unterschiedlich. Als Musiker müssen wir natürlich darauf achten, dass wir beim Konzert immer 100%ig da sind. An manchen Tagen gelingt das sehr schnell und an manchen anderen Tagen ist das wieder ein bisschen schwieriger. Mit der Zeit und der Routine wird es aber leichter, sich darauf einzustimmen und einzulassen. Einen Unterschied macht es noch, dass wir auf ladinisch singen und die meisten Leute nichts von unseren Texten verstehen. Wir müssen uns deswegen auch darum Gedanken machen, wie wir dem Publikum unsere Lieder und das, was wir damit sagen wollen, näher bringen können.
Aber so grundsätzlich gehen wir vor einem Konzert Essen und verbringen Zeit miteinander. Dann ziehen wir uns aber auch einzeln zurück und schminken uns ein wenig. Das ist auch eine Art Ritual, um so ein bisschen zu sich zu finden.

Elisabeth:
Eine Tour ist ja schon Routine. Da machen wir auch immer wieder dieselben Sachen und kennen die Abläufe von An- und Abreise, von Auf- und Abbau. Dadurch, dass wir auf Tour gehen, sind wir sozusagen schon im Rhythmus.

Marlene:
Aber gerade, weil es Routine ist, ist es auch eine Herausforderung. Da müssen wir konzentriert bei der Sache, ganz da sein.

Maria Moling Trio GANES

Maria Moling Trio GANES

Maria:
Gerade bei unseren Liedern sind wir ja eigentlich sehr emotional dabei und haben eine Vorstellung, wie es sein sollte, wie wir sie singen müssen. Und an manchen Tagen ärgern wir uns schon, wenn wir selber nicht den besten Tag haben oder die Bedingungen nicht die besten sind. Wir müssen es akzeptieren, dass es nicht jeden Tag klappt, diese gleichen Emotionen gleich gut rüber zu bringen. Da sind wir auch nur Menschen.

Marlene:
Ein kleines Ritual haben wir aber schon: kurz, bevor wir auf die Bühne gehen, stehen wir drei im Kreis zusammen – nur ganz kurz. Und ab und zu trinken wir dazu auch noch einen kleinen Schnaps … [Anm.: alle lachen!] – aber nicht jedes Mal.

Weil wir schon bei eurer Musik sind: ihr singt auf Ladinisch, eurer Sprache, die „spontan von Herzen kommt“, wie du, Marlene, es einmal gesagt hast. Nun verstehen die meisten eurer Konzertbesucher natürlich nicht. Wie schafft ihr es, die Leute trotzdem so in den Bann zu ziehen und in einer, wie es von euch heißt „universellen Sprache zu singen, die jeder versteht und die jeden berührt“? Welche eurer Fähigkeiten kommen da besonders zum Tragen?

Elisabeth Schuen Trio GANES

Elisabeth Schuen Trio GANES

Elisabeth:
Wenn man Musik macht, dann muss man sowieso Emotionen in die Musik reinpacken. Wenn man die Musik auch noch selber schreibt, dann schreibt man einen Song ja aus einer Emotion heraus und die muss man auch so rüberbringen, dass der Zuhörer die auf- und auch wieder mitnehmen kann. Wenn der Zuhörer das mal nicht kann, dann fehlt irgendetwas. Dann habe ich entweder einen Song geschrieben, der nicht viel sagt oder ich kann ihn nicht so interpretieren. Auf jeden Fall sagen die Sprache und die Wörter für sich alleine nichts aus. Ich als Musikerin muss das mittragen. Natürlich erklären wir auf der Bühne auch ein wenig zu jedem Song und die Übersetzungen lassen sich auf der Homepage nachlesen. Ich finde es aber schon am wichtigsten, dass die Zuhörer durch die Emotion verstehen, worum es geht.

Maria:
Unsere Musik ist eine sehr atmosphärische Musik. Ein Grund dafür ist sicher auch unsere Sprache, die man nicht direkt versteht. Umso wichtiger ist es dann auch, die Stimmung von jedem Song musikalisch zu betonen. Für jeden Song muss also eine bestimmte Welt hörbar sein, die man auch mitbekommt, ohne dass man den Text wortwörtlich versteht.

Auch wenn die Menschen von euren Texten wenig verstehen, so bietet ihr ihnen trotzdem die Möglichkeit, in ihre eigene Gefühlswelt einzutauchen. Das liegt auch daran, dass ihr, gerade auch in eurem aktuellen Album „Caprize“, vielen Gefühlslagen Raum gebt und entsprechend auf der Bühne darbietet. Gibt es in euren Texten trotzdem eine gewisse Kontinuität, vielleicht sogar in Form von Werten, die euch gemeinsam sind und das unverwechselbare Gesicht von „Ganes“ bilden?

Marlene Schuen Trio Ganes

Marlene Schuen Trio Ganes

Marlene:
Dadurch, dass die Leute Ladinisch nicht verstehen, ist es wie eine Art Fantasiesprache. Wir geben Anhaltspunkte und jeder kann seine eigenen Geschichten dazu erfinden und das ist bei uns viel leichter, als wie man jedes Wort versteht. – Maria: das ist eine Art von Freiheit für den Zuhörer, wenn er hineindenken kann, was er will.

Elisabeth:
Was bei uns immer wieder kommt, das sind so Vergleiche und Bilder, die aus der Natur kommen, wie der Schnee oder die Sirene im Wasser. Unsere Sprache ist sehr poetisch, um Emotionen zu beschreiben. Es gibt nämlich gar nicht so viele Wörter im Ladinischen, dafür umso mehr Umschreibungen, die die Sprache öffnen.

Als Cousinen bzw. sogar Schwestern kennt ihr euch ja gut und lange genug und habt eure Entwicklungen lange Zeit hautnah miterlebt. Inwieweit hat euch eure Geschichte verändert? Und wo seid ihr immer noch die Marlene, Elisabeth und Maria geblieben, die ihr schon immer gewesen seid?

Marlene:
Selber kriegt man das ja gar nicht so mit, aber natürlich verändert man sich im Laufe der Zeit. Ich glaub schon, dass die Bühne, also dieser Schritt nach vorne, den wir gemacht haben, uns ein bisschen mehr Selbstvertrauen gegeben hat, im Vergleich zu der Zeit, in der wir bei Hubert von Goisern eher im Hintegrund gesungen haben. Da mussten unsere Stimmen nicht tragen. Bei „Ganes“ hat sich das ja verändert und ich denke, dass wir dadurch schon gewachsen sind. Auch schreiben wir ja unsere Lieder selber und schreiben darüber, was wir erlebt haben und das ist auch nicht immer so leicht. Da bin ich dann manchmal schon froh, dass die Leute ladinisch nicht verstehen. Sonst würden wir jedes Mal auf der Bühne rot werden … [Anm.: alle lachen herzlich!] Aber es ist tatsächlich so: als wir angefangen haben, über Gefühle zu schreiben, da war das schon eine Überwindung. Heute gehört es natürlich dazu, auch wenn es nicht bei jeder Geschichte leicht fällt. Darüber zu schreiben kann aber auch helfen.

Trio GANES

Maria:
Es verändert sich eh immer alles und dadurch bleibt es auch spannend. Klar gibt es dann Phasen, wo es schwierig ist, wo wir uns mehr auseinander leben. Diese Herausforderungen sind da aber schöne Herausforderungen, weil Veränderungen immer auch Positives mit sich bringen und neue Einflüsse unsere Musik prägen.

Ich stell mir eure Kindheit in eurem Dorf in den Dolomiten, mit den vielen Traditionen, die es dort gibt, als ein behütetes Aufwachsen vor. Was hat euch denn angetrieben, die „große Welt“ zu entdecken? Und seid ihr heute, nachdem ihr schon vieles von der großen Welt entdeckt habt, auch ein wenig Brückenbauer zwischen der großen und eurer kleinen Heimatwelt?

Elisabeth Schuen im Gespräch mit Benedikt Ströher

Elisabeth Schuen im Gespräch mit Benedikt Ströher

Elisabeth:
Also, angetrieben raus zu gehen, hat uns schon vor allem die Musik. Obwohl jede von uns auch neugierig war, was es da draußen noch alles gibt. Wenn man Musik professionell machen möchte, Musik studieren möchte, dann muss man aber auch weggehen. Schon allein deshalb sind wir weggegangen und bisher weggeblieben. Und was das „Brückenbauen“ angeht: vor ein paar Wochen war ich mit meiner Familie mal wieder zuhause und da hat mich ein alter Lehrer gefragt, ob ich bei einem Projekt mitsingen würde. Und als ich dann zugesagt und ein Solo gesungen habe, haben sich alle total gefreut. Und diese Freude dann zu erleben und zu sehen, was daraus alles entstehen kann, fand ich sehr schön! Das war ein sehr schönes Erlebnis.

Von eurem Album „Caprize“ sagt ihr ja, dass es das bisher persönlichste ist. Was bedeutet es für euch, Musik zu machen?

Elisabeth:
Musik machen ist für uns eine große Liebe! Wir sind mit Musik aufgewachsen und wenn man dann das beruflich machen kann, was man auch als Hobby machen würde, dann hat man großes Glück. Es ist nicht selbstverständlich, dass man so was schönes jeden Tag machen kann!

Maria Moling vom Trio GANES

Maria Moling Trio GANES

Maria:
Wenn man Musik macht, dann kann man sich einen ganz eigenen Raum schaffen. Da gibt es keine Grenzen mehr. Es ist ein sehr schönes Gefühl, in dieser kleinen, aber doch unbegrenzten Welt zu leben. – Marlene: es ist wie eine Sucht!

„Ganes“ – euer Bandname ist ja kein Zufallsprodukt. In den Sagen eurer Heimat sind „Ganes“ Wasserhexen, die Glück oder auch Unglück bringen können. Da ist vieles möglich. Was wollt ihr denn mit eurem sehr bildhaften Bandnamen aussagen? Ist er für euch zu einer Art Symbol geworden?

Maria:
„Ganes“ ist einer der ersten Namen, die uns eingefallen sind und wir sind immer wieder darauf zurückgekommen. Irgendwie hat er einfach so gepasst. Er ist leicht auszusprechen und klingt gut und ist schön kurz. Und er hat auch seine Bedeutung für uns. Er stammt ja auch aus unserer Welt in den Dolomiten und aus den Märchen, die uns von klein auf begleitet haben; die uns auch heute noch zum Schreiben inspirieren. Und „Wasserfrauen“ sind wir auch deswegen, weil wir alle in der Nähe eines Flusses gelebt haben.

Benedikt Ströher mit Elisabeth Schuen

Zum Schluss das obligatorische „Bruckmandl“

Interview: Benedikt Ströher
Fotos: Georg Schraml

 

 

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