Mich trägt meine Liebe zu den Menschen: Tanja Schweiger

Tanja Schweiger

Brückengespräch am 16. Februar 2016 |

Landrätin und Bezirksvorsitzende der Freien Wähler; dazu noch das „Bürgerbüro“ im Haus in Pettendorf – Sie haben bestimmt einen ausgefüllten Terminkalender. Wo kommen Sie gerade her und wie muss man sich Ihren beruflichen Alltag vorstellen?

Tanja SchweigerTanja Schweiger: Sehr gerne. Ich komme gerade von der Verabschiedung vom Schulleiter Faltermeier von der Bischof-Wittmann-Schule. Nach 18 Jahren dort ist er heute in den Ruhestand verabschiedet worden und ich war sehr gerne dabei, weil Herr Faltermeier ein wirklich toller Mensch ist und mit viel Liebe zu den Menschen über 40 Jahre Sonderpädagoge war. Und das ist es auch, was mich mit ihm verbindet. Die Liebe zu den Menschen und die Begegnungen mit ihnen geben auch mir die Kraft, mein Amt auszufüllen. Die Herausforderungen, die über die Menschen kommen, gemeinsam im Gespräch und in der Interaktion mit allen Stellen, die dafür nötig sind, zu lösen – das ist ein großer Antrieb für mich.

Andersherum wäre es für mich die größte Strafe, den ganz Tag alleine in einem Zimmer arbeiten zu müssen.

Und was meinen Tagesablauf angeht, so habe ich am Tag zwischen fünf und zehn Terminen, am Wochenende ein bisschen weniger und so sind meine Tage durchgetaktet. Was ich jedoch dabei erwähnen möchte: ich habe ein sehr professionelles Umfeld. Meine Vorzimmerdamen organisieren sehr viel für mich und achten darauf, dass keine Anfragen verloren gehen. Mein Fahrer weiß immer, wohin ich muss und setzt mich bei der richtigen Haustüre oder vor dem richtigen Schiff [Anm.: das Gespräch wird auf der MS Fürstin Gloria der Fa. Klinger geführt.] ab. Mein Umfeld ist also darauf ausgerichtet, dass dieses Pensum funktioniert – alleine könnte ich das natürlich nicht.

Wenn Sie also beruflich so viel mit Menschen zu tun haben – bleibt dann da auch noch ein wenig Zeit für Sie selbst, für einen Kaffee zum Beispiel?

Tanja Schweiger: Die Zeit für einen Kaffee nehme ich mir immer. Mir ist aber auch sehr wichtig, dass ich trotz der vielen Termine nicht durch die Termine hetze. Ich möchte mir Zeit nehmen und auf die Menschen eingehen können. Die Gespräche sollen so verlaufen, dass sie dann auch beendet sind und nicht die Uhrzeit die Gespräche beendet. Ein vernünftiges Ankommen und Sichkennenlernen – ich möchte hören, worum es geht und ich möchte den Menschen das Gefühl geben, dass sie sich verstanden fühlen und ihnen auch meine Position dazu deutlich machen. Und wenn ich mal nicht direkt helfen kann, dann möchte ich die Menschen dorthin verweisen, wo ihnen geholfen werden kann. Ich möchte, dass das Treffen emotional „rund“ ist – leider manchmal auch zum Preis der Pünktlichkeit.

Bei den Kommunalwahlen im März 2008 wurden Sie von den FW als Kandidatin für das Amt des Landrats nominiert, obwohl Sie bis dahin keine politischen Vorerfahrungen hatten. Seit 2014 sind Sie sogar Landrätin. Wie lange hat es gedauert, bis Sie sich an die neuen Anforderungen und Umstände gewöhnt haben und gibt es etwas, was Ihnen auch heute noch manchmal schwer fällt? Und was fällt Ihnen besonders leicht?

Tanja SchweigerTanja Schweiger: Also, mir fällt es leicht, diese Vielfalt, die mein Amt mit sich bringt, zu „ertragen“. Meine Mitarbeiter wundern sich auch immer wieder, dass ich mich so gut einlassen kann auf das, was gerade ansteht. Aber mich trägt einfach meine Liebe zu den Menschen und da bin ich auch froh, dass sich viel bewegt. Und wie ich schon gesagt habe: ich habe schon fast panische Angst vor einer Arbeit im stillen Kämmerlein. Natürlich ist es anstrengend, zehn, oftmals intensive Gespräche am Tag zu führen, aber ich bin auch der Typ Mensch, der das gut kann, weil ich das fast schon brauche.

Schwierig hingegen war es besonders am Anfang, die Vielfalt des Amtes zu begreifen. Ich bin Landrätin, okay. In dieser Funktion bin ich aber auch automatisch in 27 Gremien, meist mit Vorsitz und teilweise habe ich die vorher auch gar nicht gekannt. Plötzlich bin ich also in diesen Gremien drin, was auch mindestens eine Sitzung pro Jahr bedeutet und das gilt es dann auch erstmal zu organisieren. Aber die Repräsentationsaufgaben sind nur das Eine. Das Andere ist nämlich, dass ich auch Chefin eines sehr großen Amtes mit über 500 Mitarbeitern und eines Krankenhauses bin, das Gott sei Dank aber sehr gut funktioniert. Und natürlich kann ich nicht alle Mitarbeiter persönlich kennen, aber die meisten dann doch und da möchte ich auch wissen, wer wie tickt und wen ich wo am besten einbinde. – Das wusste ich bereits vorher, dass die Leitung dieser Behörde allein schon ein Fulltimejob ist und mit meinem Wirken nach außen, auch mit meinen Repräsentationspflichten, habe ich nun halt zwei. Dazu verpflichten mich auch meine politischen Ziele, mit denen ich angetreten bin und die Verantwortung, die ich mit diesem Amt eingehe. Diese Fülle also zu begreifen, braucht einfach seine Zeit. Aber diese Fülle ist auch eine große Chance, weil ich viele Fäden in der Hand und damit Möglichkeiten habe, Dinge umzusetzen. Nach einem Jahresdurchlauf hatte ich dann schon meine Routine und wusste das, was halt immer wieder zu diesem Zeitpunkt kommt und kommen wird, zu organisieren, so dass es dann beim nächsten Mal leichter wird. Ein Beispiel sind da die Schulabschlussfeiern der Landkreisschulen, die mir sehr wichtig sind, die sich aber auch früh genug so planen lassen, dass ich bei allen dabei sein kann. Es gibt natürlich genügend Dinge, die kurzfristig organisiert werden müssen, aber wenn dann auch die routinemäßigen Termine kurzfristig organisiert werden, gibt es Chaos. Da mussten sich meine Mitarbeiter erst dran gewöhnen, aber mittlerweile läuft das ganz gut und so habe ich eine für mich gute Ruhe und Struktur.

Als Politikerin und v.a. in Ihrer Position sind Sie mit ganz unterschiedlichen Menschen in Kontakt und mit vielen Interessen konfrontiert. Fast nebenbei erwähnt sind Sie seit knapp 3 ½ Jahren auch noch Mutter. Was braucht es, um diese Aufgaben zu meistern? Welche Ihrer Fähigkeiten kommen da besonders zum Tragen?

Gäste Tanja SchweigerTanja Schweiger: Das Wesentliche ist bestimmt meine zwischenmenschliche Kompetenz und meine Fähigkeit, mich strukturieren zu können. Darüber hinaus muss ich den Gesamtüberblick behalten. Ich darf mich nicht in einem Thema verlieren, sondern muss das gesamte Haus im Blick behalten und mich meiner Kernthemen erinnern. Das Amt hat einen ganz schnell im Griff und manches möchte ich nicht aus den Augen verlieren. Ich möchte nicht nur diejenige sein, die reagiert, sondern mein Eigenes einbringen und ich glaube auch, dass die Menschen mich gewählt haben, weil sie davon überzeugt waren, dass ich Dinge voranbringen kann oder dass ich mit meiner Grundhaltung, meinen Grundeinstellungen Weichen stelle, wie es meinen Wählern entspricht.

Eine Herausforderung meines Jobs ist es, dass es mir schwer fällt, „nein“ zu sagen und Einladungen auszuschlagen. Ich bin bereit, eine 60 Stunden Woche zu leisten und es sollte nicht die Regel sein, dass es deutlich über 70 Stunden sind. Das formuliere ich für mich und ich glaube, dass ich mich damit auch in der Öffentlichkeit nicht schämen muss. Früher hab ich auch mal „schnell“ am Sonntag ein Gartenfest oder eine Einweihung besucht, aber auch diesen Tag zu takten und mit Terminen zu belegen ist auf die Dauer sehr schwierig. Deswegen bemühe ich mich, immer wieder auch einmal „nein“ zu sagen. Ich kann und will keine 24 Stunden am Tag arbeiten. Und ich glaube auch, dass mich meine Wähler als Person und auch als Mutter gewählt haben und dass auch sie nicht wollen, dass ich mich in diesem Amt völlig verausgabe. So mache ich z.B. vor 9.30 Uhr keinen Termin, denn ich schreibe ja auch um 1.00 Uhr nachts noch Emails und diesen kleinen Luxus des ruhigen Morgens gönn ich mir dann. Um 8.30 Uhr bring ich dann meinen Sohn so oft es geht noch in den Kindergarten und unterhalt mich dort auch gern mit den anderen Eltern – das ist mir sehr wichtig und auch an kirchlichen Festen oder auch beim Martinsumzug mache ich keine Termine. Das ist alles Teil meines Alltags, der mich und auch andere Politiker erden soll und das auch tut.

Bevor Sie sich 2008 für die FW für den Landtag haben aufstellen lassen, waren Sie parteipolitisch nicht gebunden. Was hat Sie dazu bewogen, sich für die FW zu engagieren? Welche Überzeugungen und Werte sind Ihnen wichtig und welche davon sehen Sie auch in Ihrer Partei verwirklicht?

Tanja SchweigerTanja Schweiger: Weil wir gerade bei meinem Alltag waren, möchte ich noch anfügen: ich hätte wahrscheinlich nicht kandidiert, wenn ich mir nicht hätte sicher sein können, dass ich mich wegen der Situation zuhause auf meine Eltern hundertprozentig verlassen kann.

Und was die „Freien Wähler“ angeht: die FW haben mich gefragt, ob ich für sie für den Landtag kandidieren will und deswegen habe ich mich nur mit den FW beschäftigt. Natürlich habe ich mich dann mit deren Leitlinien auseinandergesetzt. Das war im August 2007. Zwei Wochen später war dann auf der Herbstdult eine Kundgebung mit Hubert Aiwanger, dem Landesvorsitzenden und Ludwig Artinger, OB-Kandidat, die ich mir angeschaut habe. Der Landesvorsitzende hat mich dann dort auf meine mögliche Kandidatur angesprochen und sich mit mir auch über die Leitlinien unterhalten. Diese Leitlinien gibt es auch heute noch, ein 30seitiges Dokument, in denen viele Dinge niedergeschrieben sind, die mich angesprochen haben. Eine gewisse wertkonservative Grundeinstellung, die auch leistungsorientiert und trotzdem pragmatisch ist und eine soziale Perspektive, die von jedem fordert, sich einzubringen, aber auch die Schwächeren unterstützt. In manchen Nuancen hat es vielleicht nicht so gepasst, aber 95% davon hätte ich sofort unterschreiben können. Da finde ich mich wieder und da war und ist nichts drin, was ein Grund gewesen wäre, nicht mit den FW weiterzumachen. Im Anschluss habe ich dann auch die Landkreisvertreter und u.a. auch Willi Hogger kennen gelernt und das waren so schöne Erfahrungen und so fühle ich mich in dieser Partei einfach gut aufgehoben, von Anfang an.

Das Bild, das von Politikern in der Öffentlichkeit vorherrscht, ist nicht besonders positiv besetzt. Gerade die Frage nach deren Glaubwürdigkeit wird kritisch betrachtet. Sie sind eine junge Frau in einer verantwortungsvollen Position und haben, soweit ich das beurteilen kann, mit Ihrer aufgeschlossenen Art schon viel bewegt im Landkreis Regensburg. Sehen Sie sich auch als „Brückenbauerin“ zwischen Politik und Gesellschaft, die an einem anderen öffentlichen Bild des „Politikers“ mitbauen möchte?

Tanja SchweigerTanja Schweiger: Ja, ganz eindeutig und ich glaube, dass das eine Generationenfrage ist. Die jungen Landräte oder Bürgermeister von heute sind durch das Aufwachsen mit den Neuen Medien einfach anders greifbar. Unter meinen Vorvorgängern sind Emails gerade aktuell geworden. Mir schreibt man über Facebook und Xing. Diese andere Art der Kommunikation braucht es, um Barrieren abzubauen und diesen Ansatz verfolge ich auch, wenn ich mich auf den Weg in die Schulen mache. „Politik“ muss man heute anders erklären. Die Bürger können einfach nicht alle Hintergründe kennen und dadurch entsteht leicht der Eindruck, dass Politiker unehrlich sind und nur auf sich schauen. Durch viel Kommunikation, Erklären und Transparenz kann ich das verbessern. Vor kurzem hatten wir zum Beispiel ein riesiges Projekt mit 20 Klassen und über 500 SchülerInnen: „Mach mit! Entdecke deinen Landkreis“. Die SchülerInnen waren alle bei mir im Landratsamt und haben sich über Themenblöcke in den Abteilungen informiert und dabei sehr kritisch hinterfragt. Da war viel Leben im Amt und das war echt toll! Man muss einfach den Landkreis kennen lernen, um sich auch für ihn einsetzen zu können. Jeder Schüler, der in einer Landkreisschule war/ist, soll wissen, dass der Landkreis größer ist als die Stadt Regensburg, dass er 41 Gemeinden hat und dass das eine Institution ist, die unter anderem auch Schulen betreibt – ein kleines Grundwissen also, das ist mein Anspruch an die Schüler und Absolventen einer Landkreisschule. Dieses Projekt ist bei allen Beteiligten und Interessierten gut angekommen und über die „Paten“, die sich im Amt für die SchülerInnen gefunden haben, sind auch schon weitere Ideen entstanden. Ich bin da also ziemlich zuversichtlich und ich denke, dass dieser Generationenwechsel auch der Politik gut tut und dass sich dieses Bild von „Politik ist nur was für Ü50“ langsam überholt.

Ein kleines „aber“ möchte ich jedoch auch anfügen: auch eine Landrätin kann nicht Tag und Nacht über Facebook erreichbar sein. Momentan hält sich das noch in einem vernünftigen Rahmen, aber das ist etwas, wo man ein wenig vorsichtig sein muss. Und bei allem Generationenwechsel bringt das Amt auch einen gewissen Grundrespekt mit sich, so dass nicht jeder mit der Landrätin oder dem Bürgermeister „per Du“ sein kann. Das ist auch notwendig, damit die Strukturen auch weiterhin funktionieren. Es soll etwas Besonderes bleiben, wenn eine Landrätin oder ein Bürgermeister zu einem Fest als „Ehrengast“ geladen wird und auch kommt.

 

Interview: Benedikt Ströher | Fotos: Reinhold Degel

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